Verwirrspiel im Alpenidyll

Verwirrspiel im Alpenidyll

Open-Air: Nach einem regenbedingt verzögerten Start präsentieren die Bad Kissinger Festspiele „Im weißen Rössl“
Herz-Schmerz und Liebesgeschichten vom Feinsten.

Bad Kissingen Die Operette „Im weißen Rössl“ bildete die Vorlage für die Bad Kissinger Festspiele 2023.
Das Singspiel in drei Akten von Ralph Benatzky war die humorvolle Basis für ein stimmiges, spielfreudiges Ensemble rund um die beiden EdelKomödianten Volker Heißmann und Martin Rassau.
Den beiden wurde ein unterhaltsames Verwirrspiel rund um Liebesfreud’ und Liebesleid von Stephanie Schimmer auf den Franken-Leib geschrieben. Entstanden ist eine kurzweilige, mit etwas Frivolität, Situationskomik und einem kräftigem Schuss Lokalkolorit gewürzte Aufführung, die ihren nostalgischen Charme dank der bekannten Evergreens wie „Die ganze Welt ist himmelblau“ oder „Was kann der Sigismund dafür“ ausstrahlt.
18.30 Uhr – strömender Regen in Bad Kissingen. Die ersten Besucher im weiten Rund des Luitpoldbades drängen sich unter den schützenden Bögen im Innenhof – Regenjacke oder -poncho sind Pflicht bei Open-Air Veranstaltungen. Eine Durchsage des Veranstalters: der geplante Beginn wird verschoben – erst auf 19.15 Uhr, dann auf 19.30 Uhr. Kurz vor 19 Uhr wagen sich die ersten Besucher aus dem geschützten Bereich und gehen Richtung Eingang – der Regen lässt nach.

Samt Echo und steppender Kuh
Staunende Blicke zum Himmel – die grauen Wolken reißen auf, es zeigen sich blaue Flecken. Durch die Sichtschutzzähne sieht man Helfer, die die Bühne und Stühle abtrocknen – am Himmel verflüchtigen sich die letzten Wolken und als Zahlkellner Leopold (Volker Heißmann) gesanglich die murrenden Bühnengäste beruhigt und ihnen Sonnenschein im Herzen wünscht, wird sein glückliches Gesicht von der Abendsonne angestrahlt. Punktlandung beim Wetter und Punktlandung bei der gelungenen Inszenierung, die sehr frei mit der Vorlage aus den 1930er Jahren umgeht. So wird die „Christel von der Post“ aus „Der Vogelhändler“ eingebunden, weil man Rassaus komödiantisch-laszive Seite für eine „Rakoczy-Einladung für Dr. Vogel“ unterbringen möchte. Auch wird mit alpenländischen Plattitüden gespielt, die sich bei den „Lustigen Holzhacker-Buam“ wiederfinden oder beim Lederhosen tragenden Trikotagenfabrikanten Giesecke, der auf dem Gipfel mit dem Echo berlinert. Auch der Slapstick wird adaptiert, wenn eine steppende Kuh auftritt, die sich als Bulle entpuppt und den Schüttelreim produziert: „Erst beim Melken war ihm klar, dass die Kuh ein Bulle war.“
Aber abseits dieser, der „Comö- die Fürth“ geschuldeten Kalauer, bewegte sich die Inszenierung auf den bekannten Schienen einer mit Herz-Schmerz verbundenen Liebesgeschichte – und das Hotel „Weißes Rössl am Wolfgangsee“ ist seit dem gleichnamigen Film mit Peter Alexander und Gunther Philipp aus dem Jahre 1960 kulturelles Allgemeingut.
In den drei Akten geht es um Irrungen und Wirrungen, in deren Mittelpunkt drei Paare stehen. Zahlkellner Leopold liebt seine Chefin Josepha (Isabel Blechschmidt), die jedoch auf engere Gefühle zum charmanten Dr. Siedler (Patric Dull) hofft. Dieser jedoch mag, aber liebt sie nicht und entflammt für Ottilie (Antonia Streitenberger), der Tochter des Trikotagenfabrikanten Wilhelm Giesecke (Heinz-Arthur Boltuch). Ottilie soll jedoch mit dem schönen Sigismund Sülzheimer (Martin Rassau) vermählt werden, der jedoch für das lispelnde Klärchen (Christin Dull) Feuer und Flamme ist.

Strippenzieher und Jodelquartett
Garniert wurde das Ganze mit Rechtsstreitigkeiten zwischen Giesecke und Sülzheimer Senior, die sich aber auch in Wohlgefallen auflösten, oder mit dem Auftritt von Kaiser Franz Josef, der ebenfalls von Volker Heißmann gespielt wurde, oder mit dem charmant-naiven Strippenzieher Gustl (Josef Forstner), der die Fäden zwischen den einzelnen Handlungssträngen verwebte. Zusammen mit dem Jodelquartett, den Wolfgangsee Harmonists, dem Bad Kissinger Festspiel-Chor und dem Rot-Kreuz-Orchester sorgte man für beste Unterhaltung – fürs Auge und fürs Ohr.

Ein überdimensionaler Pferdekopf
Das dazu passende Bühnen-Alpenidyll stellten Berge, ein überdimensionaler Pferdekopf, ein Kuhstall und ein Hoteleingang dar – ergänzt um eine Treppe, die das Geschehen in mehrere Ebenen verlagerte und dem fast 30-köpfigen Ensemble variable Zu- und Abgänge ermöglichte. Diese Fläche nutzte man einerseits für die prächtig arrangierten Gruppenszenen, die mit Gesang und Tanz die Gäste begeisterten, und andererseits für die Soloauftritte oder Duette der Liebespaare, die mit „Mein Liebeslied muss ein Walzer sein“ oder „Zuschau’n kann i net“ oder „Und als der Herrgott Mai gemacht“ Liebesleid und -glück besangen.
Rassau und Heißmann waren dabei nicht nur die Garanten für das Humorvolle, sondern auch für die passenden Anekdoten zum Weltkulturerbe Bad Kissingen. Umfangreich war auch die Vorstellung derjenigen, die im Hintergrund aktiv waren und verantwortlich für die musikalische Leitung,
das Bühnen- und Kostümbild, die Choreographie oder Licht und Ton
zeichneten.

12.07.2023 – Würzburg